Entscheidung

Entscheidung Nr. 2012-253 QPC vom 8. Juni 2012

Herr Mickaël D. [Trunkenheit in der Öffentlichkeit]

Der Verfassungsrat ist am 30. März 2012 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Kassationsgerichtshof (Strafsenat, Beschluss Nr. 2069 vom 27. März 2012) bezüglich einer von Herrn Mickaël D. erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit von Artikel L. 3341-1 der Gesundheitsordnung mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf die Gesundheitsordnung;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Premierministers, eingetragen am 24. April 2012;

Unter Bezugnahme auf die für den Antragsteller von Herrn RA Cédric Michalski, Rechtsanwalt der Anwaltskammer von Mülhausen, eingereichte Stellungnahme, eingetragen am 7. Mai 2012;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr RA Michalski für den Antragsteller und Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2012 gehört worden sind;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel L. 3341-1 der Gesundheitsordnung lautet: „Wer an einem öffentlichen Ort im Rauschzustand aufgefunden wird, wird als Ordnungsmaßnahme und auf seine Kosten zum nächstgelegenen Polizeirevier oder Gendarmerieposten oder in einen Sicherheitsraum gebracht, um dort bis zu seiner Ausnüchterung festgehalten zu werden.
    „Ist eine unmittelbar nach der Ausnüchterung erfolgende Vernehmung einer in Absatz 1 genannten Person nicht notwendig, kann diese Person abweichend von der Vorschrift des Absatzes 1 von einem zuständigen höheren Strafverfolgungsbeamten oder Polizeibeamten der Obhut einer sich für die betreffende Person verbürgenden Person übergeben werden“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller behauptet, diese Vorschrift verletze den verfassungsrechtlichen Schutz der persönlichen Freiheit, da sie erlaube, dass Personen, die in der Öffentlichkeit in einem Rauschzustand aufgefunden werden, für eine unbestimmte Zeit auf der Grundlage einer der gerichtlichen Überprüfung entzogenen Gefahrenabwehrmaßnahme die Freiheit entzogen werden könne und sich die Bewertung des Rauschzustandes darüber hinaus lediglich auf die Beurteilung durch einen Polizei- oder Gendarmeriebeamten stütze;

  3. In Erwägung dessen, dass gemäß dem elften Absatz der Präambel der Verfassung von 1946 die Nation allen Menschen den Schutz der Gesundheit zusichert; dass gemäß Artikel 34 der Verfassung die den Staatsbürgern zur Ausübung ihrer Grundfreiheiten gewährten Grundrechte durch Gesetz geregelt werden;

  4. In Erwägung dessen, dass Artikel 66 der Verfassung vorschreibt: „Niemand darf willkürlich in Haft gehalten werden. - Die Justiz gewährleistet als Hüterin der persönlichen Freiheit die Einhaltung dieses Grundsatzes gemäß den gesetzlich festgelegten Voraussetzungen“; dass es dem Gesetzgeber obliegt, auf der einen Seite den Schutz der Gesundheit der Menschen sowie die zum Schutz verfassungsrechtlicher Rechte und Grundsätze unerlässliche Verhinderung von Angriffen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, und auf der anderen Seite die Ausübung der von der Verfassung verbürgten Rechte und Freiheiten miteinander in Einklang zu bringen; dass zu diesen Rechten und Freiheiten die Freizügigkeit, welche von den Artikeln 2 und 4 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 geschützt wird, ebenso gehört wie die persönliche Freiheit, deren Schutz gemäß Artikel 66 der Verfassung der Justiz obliegt; dass die Eingriffe in diese Freiheitsrechte im Hinblick auf das verfolgte Schutzziel angemessen, notwendig und verhältnismäßig sein müssen; dass der Gesetzgeber im Rahmen seiner Zuständigkeit befugt ist, je nach Art und Anwendungsbereich des Eingriffs, den er in die persönliche Freiheit vorzunehmen gedenkt, verschiedene Modalitäten für das Einschreiten der Gerichte vorzusehen;

  5. In Erwägung dessen, dass, erstens, zum einen aus dem Wortlaut der Vorschrift des Artikels L. 3341-1 der Gesundheitsordnung selbst hervorgeht, dass die Überführung einer in einem Rauschzustand an einem öffentlichen Ort aufgefundenen Person in ein Polizeirevier oder einen Gendarmerieposten sowie das Festhalten dieser Person an diesem Ort oder in einem Sicherheitsraum bis zu deren Ausnüchterung eine Maßnahme zur Gefahrenabwehr darstellt, deren Zweck darin besteht, Angriffen auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorzubeugen und die betreffende Person zu schützen; dass diese Vorschrift den Polizei- und Gendarmeriebeamten, welche als einzige mit dieser Aufgabe des Schutzes der öffentlichen Sicherheit betraut sind, erlaubt, ein derartiges Festhalten anzuordnen, nachdem die Beamten den Rauschzustand des Betreffenden - ein Sachverhalt, der an dessen Verhalten erkennbar ist - selbst festgestellt haben;

  6. In Erwägung dessen, dass zum anderen aus dem Wortlaut dieser Vorschrift ebenfalls folgt, dass der Freiheitsentzug nach erfolgter Ausnüchterung des Betroffenen nicht fortgesetzt werden darf; dass diese vom Gesetzgeber aufgestellte Voraussetzung zum Ziel und zur Folge hat, diese Freiheitsentziehung auf höchstens ein paar Stunden zu beschränken; dass dieselbe Vorschrift im Übrigen einem zuständigen höheren Strafverfolgungsbeamten oder Polizeibeamten erlaubt, auf das Festhalten des Betreffenden in einem sicheren Raum zu verzichten und den Betreffenden der Obhut eines für diesen bürgenden Dritten zu übergeben, wenn erkennbar ist, dass eine Vernehmung des Betreffenden nach dessen Ausnüchterung nicht erforderlich sein wird; dass das Festhalten in einem sicheren Raum, welches vom Gesetz vorgesehen, geregelt und zeitlich begrenzt ist, keine willkürliche Inhaftierung darstellt; dass die Haftung des Staates wegen eines möglichen Fehlverhaltens der Polizei- oder Gendarmeriebeamten im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse vor den zuständigen Gerichten geltend gemacht werden kann;

  7. In Erwägung dessen, dass die Vorschrift des Artikels L. 3341-1 der Gesundheitsordnung infolgedessen nicht gegen den Grundsatz verstößt, gemäß welchem jeder Freiheitsentzug im Hinblick auf das von einer solchen Maßnahme verfolgte Ziel des Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie des Gesundheitsschutzes notwendig, angemessen und verhältnismäßig sein muss;

  8. In Erwägung dessen, dass zweitens, in Anbetracht der kurzen Dauer des von der angegriffenen Vorschrift als Gefahrenabwehrmaßnahme erlaubten Freiheitsentzuges die Tatsache, dass ein Einschreiten der Gerichte nicht vorgesehen ist, nicht gegen die sich aus Artikel 66 der Verfassung ergebenden Anforderungen verstößt;

  9. In Erwägung dessen, dass jedoch, wenn die betreffende Person nach einem Freiheitsentzug nach Artikel L. 3341-1 Absatz 1 der Gesundheitsordnung vorläufig festgenommen wird, so gebietet der verfassungsrechtlich verbürgte Schutz der persönlichen Freiheit durch die Justiz, dass das Festhalten in einem Sicherheitsraum, welches in jedem Fall von den Polizei- oder Gendarmeriebeamten im Protokoll zu vermerken ist, auf die Dauer des Polizeigewahrsams angerechnet werden muss;

  10. In Erwägung dessen, dass aus diesen Ausführungen folgt, dass der Artikel L. 3341-1 der Gesundheitsordnung unter dem in der Erwägung 9 zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt weder gegen Artikel 66 der Verfassung noch gegen andere von der Verfassung verbürgte Rechte und Freiheiten verstößt,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Unter dem in der Erwägung Nr. 9 zum Ausdruck gebrachten Vorbehalt ist der Artikel L. 3341-1 der Gesundheitsordnung verfassungskonform.

Artikel 2 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 7. Juni 2012, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Jacqueline de GUILLENCHMIDT, Hubert HAENEL und Pierre STEINMETZ.

Veröffentlicht am 8. Juni 2012.

Les abstracts

  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.18. LIBERTÉ INDIVIDUELLE
  • 4.18.1. Affirmation de sa valeur constitutionnelle

L'article 66 de la Constitution dispose : " Nul ne peut être arbitrairement détenu. - L'autorité judiciaire, gardienne de la liberté individuelle, assure le respect de ce principe dans les conditions prévues par la loi ". Il incombe au législateur d'assurer la conciliation entre, d'une part, la protection de la santé des personnes ainsi que la prévention des atteintes à l'ordre public nécessaire à la sauvegarde de droits et principes de valeur constitutionnelle et, d'autre part, l'exercice des libertés constitutionnellement garanties. Au nombre de celles-ci figurent la liberté d'aller et venir, protégée par les articles 2 et 4 de la Déclaration des droits de l'homme et du citoyen de 1789, ainsi que la liberté individuelle dont l'article 66 de la Constitution confie la protection à l'autorité judiciaire. Les atteintes portées à l'exercice de ces libertés doivent être adaptées, nécessaires et proportionnées aux objectifs poursuivis. Dans l'exercice de sa compétence, le législateur peut fixer des modalités d'intervention de l'autorité judiciaire différentes selon la nature et la portée des mesures affectant la liberté individuelle qu'il entend édicter.

(2012-253 QPC, 08 Juni 2012, cons. 4, Journal officiel du 9 juin 2012, page 9796, texte n° 41)
  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.18. LIBERTÉ INDIVIDUELLE
  • 4.18.4. Contrôle des mesures portant atteinte à la liberté individuelle
  • 4.18.4.15. Placement en chambre de sûreté en cas d'ivresse publique

Il ressort des termes mêmes de l'article L. 3341-1 du code de la santé publique que la conduite dans un local de police ou de gendarmerie d'une personne trouvée en état d'ivresse sur la voie publique et le placement de celle-ci dans ce local ou en chambre de sûreté jusqu'à ce qu'elle ait recouvré la raison sont des mesures relevant de la police administrative dont l'objet est de prévenir les atteintes à l'ordre public et de protéger la personne dont il s'agit. Ces dispositions permettent aux agents de la police et de la gendarmerie nationales, seuls investis de cette mission de sécurité publique, d'opérer un tel placement après avoir constaté par eux-mêmes l'état d'ivresse qui est un fait matériel se manifestant dans le comportement de la personne.
D'autre part, il ressort des termes de la même disposition que la privation de liberté ne peut se poursuivre après que la personne a recouvré la raison. La condition ainsi posée par le législateur a pour objet et pour effet de limiter cette privation de liberté à quelques heures au maximum. En outre, la même disposition autorise un officier ou un agent de police judiciaire, s'il apparaît qu'il ne sera pas nécessaire de procéder à l'audition de la personne après qu'elle aura recouvré la raison, à ne pas la placer en chambre de sûreté et à la confier à une tierce personne qui se porte garante d'elle. Prévu, organisé et limité par la loi, le placement en chambre de sûreté n'est pas une détention arbitraire. Le cas échéant, la faute commise par les agents de la police ou de la gendarmerie nationales dans l'exercice de leurs attributions engage la responsabilité de la puissance publique devant la juridiction compétente.
Par suite, les dispositions de l'article L. 3341-1 du code de la santé publique ne méconnaissent pas l'exigence selon laquelle toute privation de liberté doit être nécessaire, adaptée et proportionnée aux objectifs de préservation de l'ordre public et de protection de la santé qu'elles poursuivent.
En second lieu, eu égard à la brièveté de cette privation de liberté organisée à des fins de police administrative par les dispositions contestées, l'absence d'intervention de l'autorité judiciaire ne méconnaît pas les exigences de l'article 66 de la Constitution.
Toutefois, lorsque la personne est placée en garde à vue après avoir fait l'objet d'une mesure de privation de liberté en application du premier alinéa de l'article L. 3341-1 du code de la santé publique, la protection constitutionnelle de la liberté individuelle par l'autorité judiciaire exige que la durée du placement en chambre de sûreté, qui doit être consignée dans tous les cas par les agents de la police ou de la gendarmerie nationales, soit prise en compte dans la durée de la garde à vue.

(2012-253 QPC, 08 Juni 2012, cons. 5, 6, 7, 8, 9, 10, Journal officiel du 9 juin 2012, page 9796, texte n° 41)
  • 16. RÉSERVES D'INTERPRÉTATION
  • 16.20. ORDRE PUBLIC ET DROIT PÉNAL
  • 16.20.11. Article L. 3341-1 du code de la santé publique (ivresse publique - QPC)

Lorsque la personne est placée en garde à vue après avoir fait l'objet d'une mesure de privation de liberté pour ivresse publique, en application du premier alinéa de l'article L. 3341-1 du code de la santé publique, la protection constitutionnelle de la liberté individuelle par l'autorité judiciaire exige que la durée du placement en chambre de sûreté, qui doit être consignée dans tous les cas par les agents de la police ou de la gendarmerie nationales, soit prise en compte dans la durée de la garde à vue. Sous cette réserve, l'article L. 3341-1 du code de la santé publique ne méconnaît ni l'article 66 de la Constitution ni aucun autre droit ou liberté que la Constitution garantit.

(2012-253 QPC, 08 Juni 2012, cons. 9, 10, Journal officiel du 9 juin 2012, page 9796, texte n° 41)
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