Entscheidung Nr. 2012-271 QPC vom 21. September 2012
Der Verfassungsrat ist am 21. Juni 2012 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Staatsrat (Beschluss Nr. 357798 vom 20. Juni 2012) bezüglich einer von der „Vereinigung Radikaler Stierkampfgegner in Europa“ und dem „Verein für die Rechte von Tieren“ erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit von Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.
DER VERFASSUNGSRAT,
Unter Bezugnahme auf die Verfassung;
Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;
Unter Bezugnahme auf das Strafgesetzbuch;
Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;
Unter Bezugnahme auf die für die antragstellenden Vereine von Herrn RA Éric Verrièle, Rechtsanwalt der Anwaltskammer von Paris, eingereichten Stellungnahmen, eingetragen am 11. Juli und am 27. Juli 2012;
Unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Premierministers, eingetragen am 13. Juli und am 30. Juli 2012;
Unter Bezugnahme auf die für die als Nebenintervenienten auftretenden Vereinigungen „Nationales Observatorium für Stierzucht“ und „Bund der Stierkampfstädte Frankreichs“ von der Rechtsanwaltskanzlei Piwnica und Molinié, beim Staatsrat und beim Kassationsgerichtshof zugelassene Anwälte, eingereichten Stellungnahmen, eingetragen am 12. Juli und am 27. Juli 2012;
Unter Bezugnahme auf den von den Antragstellern eingebrachten Antrag auf Ablehnung eines Mitgliedes des Verfassungsrates wegen Besorgnis der Befangenheit, eingetragen am 11. Juli 2012;
Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;
Nachdem Herr RA Verrièle für die antragstellenden Vereine, Herr RA Emmanuel Piwnica für die als Nebenintervenienten auftretenden Vereinigungen, sowie Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 11. September 2012 gehört worden sind;
Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;
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In Erwägung dessen, dass der Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches lautet: „Wer öffentlich oder privat einem Haustier, einem zahmen Tier oder einem in Gefangenschaft gehaltenen Tier grobe Misshandlungen, Misshandlungen sexueller Art oder Quälereien zufügt, wird mit zwei Jahren Freiheitsstrafe und 30.000 Euro Geldstrafe bestraft.
„Ergeht eine Verurteilung gegen den Eigentümer des Tieres, oder ist der Eigentümer unbekannt, entscheidet das Gericht auch über das weitere Schicksal des Tieres, unabhängig davon, ob das Tier im Zuge des Gerichtsverfahrens in einer Einrichtung untergebracht wurde oder nicht. Das Gericht kann die Beschlagnahme des Tieres verfügen und entscheiden, dass das Tier einer eingetragenen oder gemeinnützigen Stiftung oder Vereinigung für den Tierschutz übergeben werden soll, welche anschließend frei über das Tier verfügen kann.
„Natürliche Personen, die eine der in diesem Artikel geahndeten Straftaten begangen haben, können als Nebenstrafe mit einem endgültigen oder zeitlich begrenzten Verbot belegt werden, ein Tier zu besitzen oder, während einer Dauer von bis zu fünf Jahren, eine berufliche oder soziale Tätigkeit auszuüben, wenn die im Rahmen dieser Tätigkeit bestehenden Mittel vorsätzlich dazu verwandt wurden, um die Straftat zu begehen oder vorzubereiten. Ein solches Verbot ist nicht anwendbar bezüglich der Ausübung eines Wahlmandats oder gewerkschaftlicher Aufgaben.
„Juristische Personen, deren strafrechtliche Verantwortlichkeit gemäß den Voraussetzungen von Artikel 121-2 des Strafgesetzbuches festgestellt worden ist, werden bestraft:
„mit der gemäß den Vorschriften von Artikel 131-38 des Strafgesetzbuches vorgesehenen Geldstrafe;
„mit den von Artikel 131-39 Nr. 2o, 4o, 7o, 8o oder 9o des Strafgesetzbuches vorgesehenen Strafen.
„Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Stierkämpfe, wenn diese auf einer ununterbrochenen örtlichen Tradition beruhen. Sie gelten ebenfalls nicht bei Hahnenkämpfen in Ortschaften, in denen ein entsprechender ununterbrochener Brauch belegt ist.
„Die Einrichtung einer neuen Hahnenkampfarena wird mit den in diesem Artikel vorgesehenen Strafen geahndet.
„Mit diesen Strafen wird ebenfalls bestraft, wer ein Haustier, ein zahmes Tier oder ein in Gefangenschaft gehaltenes Tier aussetzt, mit Ausnahme von Tieren, die der Wiederbesetzung von Lebensräumen dienen“; -
In Erwägung dessen, dass die antragstellenden Vereine behaupten, die Vorschrift von Artikel 521-1 Absatz 7 des Strafgesetzbuches, welche zugunsten von Stierkämpfen eine Ausnahme vom von Artikel 521-1 Absatz 1 des Strafgesetzbuches geahndeten Straftatbestand vorsieht, verletze den Gleichheitssatz;
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In Erwägung dessen, dass die vorrangige Frage zur Verfassungsmäßigkeit den ersten Satz von Absatz 7 von Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches zum Gegenstand hat;
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In Erwägung dessen, dass Artikel 6 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 bestimmt: „Das Gesetz […] soll für alle gleich sein, mag es beschützen, mag es bestrafen“; dass das Gleichheitsgebot dem Gesetzgeber weder verbietet, verschiedene Sachverhalte verschieden zu regeln, noch aus Gründen des Allgemeininteresses vom Gleichheitssatz abzuweichen, solange in beiden Fällen die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in direktem Zusammenhang mit dem Zweck des Gesetzes steht, welches sie begründet; dass der Gesetzgeber aufgrund von Artikel 34 der Verfassung, sowie des Legalitätsprinzips nach Artikel 8 der Erklärung von 1789, gehalten ist, selbst den Anwendungsbereich des Strafrechts festzulegen und die Tatbestandsmerkmale der Verbrechen und Vergehen hinreichend eindeutig und genau zu bestimmen, damit willkürliche Maßnahmen ausgeschlossen sind;
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In Erwägung dessen, dass der erste Absatz von Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches insbesondere die grobe Misshandlung oder Quälerei von Haustieren oder von in Gefangenschaft gehaltenen Tieren ahndet; dass der erste Satz von Absatz 7 dieser Vorschrift vorsieht, dass die Vorschrift nicht für Stierkämpfe gilt; dass diese Ausnahmeregelung jedoch nur greift, wenn eine ununterbrochene örtliche Tradition des Stierkampfes vorliegt; dass der Gesetzgeber durch die auf diese Art in bestimmten Fällen vorgesehene Straffreiheit dafür sorgen wollte, dass die Vorschrift des Artikels 521-1 Absatz 1 des Strafgesetzbuches nicht zur Unterbindung bestimmter Bräuche führt, welche gegen keine von der Verfassung geschützten Rechte verstoßen; dass der von der angegriffenen Vorschrift vorgesehene Ausschluss der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nur in denjenigen Teilen des Staatsgebietes gilt, in denen ein solch ununterbrochener Brauch belegt ist, und auch nur bezüglich derjenigen Handlungen gilt, die im Rahmen dieses Brauches erfolgen; dass damit die vom Gesetzgeber vorgenommene ungleiche Behandlung gleichgearteter Handlungen, je nachdem, wo diese auf dem Staatsgebiet erfolgen, einen unmittelbaren Bezug zum Gegenstand des die Ausnahmeregelung schaffenden Gesetzes aufweist; dass, wenngleich es im Übrigen den zuständigen Gerichten obliegt, die tatsächliche Sachlage in Bezug auf ununterbrochene örtliche Traditionen zu bewerten, so ist dieser letztgenannte Begriff nicht mehrdeutig, sondern im Gegenteil hinreichend genau bestimmt, um willkürliche Maßnahmen auszuschließen;
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In Erwägung dessen, dass aus diesen Ausführungen folgt, dass die Rüge, der Gleichheitssatz sei verletzt, zurückgewiesen werden muss; dass der erste Satz von Absatz 7 von Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches, welcher auch nicht gegen andere von der Verfassung verbürgte Rechte und Freiheiten verstößt, für verfassungsgemäß erklärt wird,
ENTSCHEIDET:
Artikel 1 - Der erste Satz von Absatz 7 von Artikel 521-1 des Strafgesetzbuches ist verfassungskonform.
Artikel 2 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.
Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 20. September 2012, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Jacqueline de GUILLENCHMIDT, Hubert HAENEL und Pierre STEINMETZ.
Veröffentlicht am 21. September 2012.
Les abstracts
- 5. ÉGALITÉ
- 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
- 5.1.3. Respect du principe d'égalité : absence de différence de traitement
5.1.3.8. Droit pénal et procédure pénale
Le premier alinéa de l'article 521-1 du code pénal réprime notamment les sévices graves et les actes de cruauté envers un animal domestique ou tenu en captivité. La première phrase du septième alinéa de cet article exclut l'application de ces dispositions aux courses de taureaux. Cette exonération est toutefois limitée aux cas où une tradition locale ininterrompue peut être invoquée. En procédant à une exonération restreinte de la responsabilité pénale, le législateur a entendu que les dispositions du premier alinéa de l'article 521-1 du code pénal ne puissent pas conduire à remettre en cause certaines pratiques traditionnelles qui ne portent atteinte à aucun droit constitutionnellement garanti. L'exclusion de responsabilité pénale instituée par les dispositions contestées n'est applicable que dans les parties du territoire national où l'existence d'une telle tradition ininterrompue est établie et pour les seuls actes qui relèvent de cette tradition. Par suite, la différence de traitement instaurée par le législateur entre agissements de même nature accomplis dans des zones géographiques différentes est en rapport direct avec l'objet de la loi qui l'établit. En outre, s'il appartient aux juridictions compétentes d'apprécier les situations de fait répondant à la tradition locale ininterrompue, cette notion, qui ne revêt pas un caractère équivoque, est suffisamment précise pour garantir contre le risque d'arbitraire.
- 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
- 11.6. QUESTION PRIORITAIRE DE CONSTITUTIONNALITÉ
- 11.6.3. Procédure applicable devant le Conseil constitutionnel
11.6.3.5. Détermination de la disposition soumise au Conseil constitutionnel
Saisi d'une question prioritaire de constitutionnalité visant l'article 521-1 du code pénal, le Conseil constitutionnel estime, au vu du grief, qu'elle ne porte que sur la première phrase du septième alinéa de cet article.