Entscheidung

Entscheidung Nr. 2011-203 QPC vom 2. Dezember 2011

Herr Wathik M. [Veräußerung von durch die Zollbehörden beschlagnahmten Gütern]

Der Verfassungsrat ist am 4. Oktober 2011 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Kassationsgerichtshof (Handelssenat, Beschluss Nr. 1019 vom 4. Oktober 2011) bezüglich einer von Herrn Wathik M. erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit des Artikels 389 der Zollordnung mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf die Zollordnung;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Premierministers, eingetragen am 26. Oktober und am 10. November 2011;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2011 gehört worden ist;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel 389 der Zollordnung lautet: „1. In den Fällen, in denen ein Verkehrsmittel beschlagnahmt wurde, dessen Rückgabe gegen Kaution im Protokoll angeboten, jedoch von dem Betroffenen abgelehnt wird, sowie in den Fällen, in denen Güter beschlagnahmt wurden, die ohne Gefahr der Beschädigung oder des Verfalls nicht aufbewahrt werden können, erfolgt auf Betreiben der Zollbehörde und mit Erlaubnis des nächstgelegenen Instanzgerichtes oder des zuständigen Ermittlungsrichters die öffentliche Versteigerung der beschlagnahmten Vermögenswerte.
    „2. Die richterliche Verfügung, welche die Veräußerung gestattet, wird noch am selben Tage der betroffenen Partei gemäß den Vorschriften des Artikels 362-2 zugestellt, begleitet von dem Hinweis, dass in Anbetracht der unmittelbar drohenden Gefahr die Versteigerung unverzüglich durchgeführt werden soll, unabhängig von der An- oder Abwesenheit der betroffenen Partei.
    „3. Die richterliche Verfügung ist ungeachtet eines möglichen Widerspruches beziehungsweise einer möglichen Berufung vollstreckbar.
    „4. Der Veräußerungserlös wird bei der Kasse der Zollbehörde hinterlegt und es wird über ihn gemäß den in einer rechtskräftigen Entscheidung des über die Beschlagnahme befindenden Gerichtes festgelegten Modalitäten verfügt“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller vorträgt, der Artikel 389 der Zollordnung verstoße zum einen gegen die von den Artikeln 2 und 17 der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte von 1789 geschützte Eigentumsgarantie, da er der Zollbehörde erlaube, beim zuständigen Gericht die Erlaubnis zu beantragen, von ihr beschlagnahmte Verkehrsmittel und leicht verderbliche Güter versteigern zu lassen, bevor eine gerichtliche Verurteilung ergeht; dass der dritte Absatz von Artikel 389 der Zollordnung zum anderen die Rechte der Verteidigung sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Artikel 16 der Erklärung von 1789 verletze, da er die Vollstreckung der richterlichen Verfügung ungeachtet des Vorliegens eines möglichen Widerspruchs oder einer möglichen Berufung vorsähe;

  • ÜBER DIE EIGENTUMSGARANTIE:
  1. In Erwägung dessen, dass Artikel 17 der Erklärung von 1789 verkündet: „Da das Eigentum ein unverletzliches und heiliges Recht ist, kann es niemandem genommen werden, außer wenn es die gesetzlich festgelegte, öffentliche Notwendigkeit augenscheinlich erfordert, und unter der Bedingung einer gerechten und vorherigen Entschädigung“;

  2. In Erwägung dessen, dass die angegriffene Vorschrift der Zollbehörde mit richterlicher Erlaubnis ermöglicht, während eines laufenden Verfahrens beschlagnahmte Verkehrsmittel oder leicht verderbliche Güter zu veräußern; dass diese Veräußerung, die keine gegen den Eigentümer der beschlagnahmten Güter verhängte Strafmaßnahme darstellt, eine Entziehung des Eigentums im Sinne des Artikels 17 der Erklärung von 1789 bewirkt;

  3. In Erwägung dessen, dass, zum einen, die von Artikel 389 der Zollordnung vorgesehene Entziehung des Eigentums nur in Bezug auf beschlagnahmte Verkehrsmittel und Güter anwendbar ist, „die ohne Gefahr der Beschädigung oder des Verfalls nicht aufbewahrt werden können“; dass die Veräußerung dieser Vermögenswerte dazu dient, einen Wertverlust der Güter im Laufe der Verfahrens zu vermeiden und die Lager- und Verwahrungskosten einzuschränken; dass diese Maßnahme einen rechtsbewahrenden Zweck verfolgt, der im Interesse sowohl der verfolgenden Behörde als auch des Eigentümers der beschlagnahmten Vermögenswerte ist; dass sie darüber hinaus auch dem verfassungsrechtlichen Ziel einer wirksamen Rechtspflege sowie einer sinnvollen Verwendung öffentlicher Mittel dient; dass diese Maßnahme infolgedessen einen Zweck von Allgemeininteresse verfolgt;

  4. In Erwägung dessen, dass, zum anderen, erstens die Veräußerung der beschlagnahmten Vermögenswerte bevor diese an Wert verlieren dazu dient, dass der dem Wert der beschlagnahmten Waren entsprechende Erlös je nach Ausgang des Verfahrens entweder für die Begleichung von gegen den Eigentümer verhängten Geldstrafen herangezogen oder dem Eigentümer rückerstattet werden kann; dass diese Maßnahme daher das Erfordernis einer gerechten Entschädigung nicht verletzt;

  5. In Erwägung dessen, dass zweitens das Gebot einer vorherigen Entschädigung der Möglichkeit nicht entgegenstehen darf, die Entschädigungssumme im Rahmen einer rechtserhaltenden Maßnahme zurückzuhalten, um die spätere Begleichung von straf- oder zollrechtlichen Geldstrafen zu ermöglichen, zu denen die betroffene Person verurteilt werden könnte; dass der Artikel 389 der Zollordnung infolgedessen dadurch, dass er den Veräußerungserlös der beschlagnahmten Güter während eines noch laufenden Verfahrens für unverfügbar erklärt, das Erfordernis einer vorherigen Entschädigung für die Entziehung von Eigentum nicht verletzt;

  6. In Erwägung dessen, dass aufgrund dieser Ausführungen folgt, dass die von der angegriffenen Vorschrift ermöglichte Entziehung von Eigentum nicht gegen die Vorgaben des Artikels 17 der Erklärung von 1789 verstößt;

  • ÜBER DAS RECHT AUF EFFEKTIVEN RECHTSSCHUTZ:
  1. In Erwägung dessen, dass Artikel 16 der Erklärung von 1789 verkündet: „Eine Gesellschaft, in der die Verbürgung der Rechte nicht gesichert und die Gewaltenteilung nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung“;

  2. In Erwägung dessen, dass die Tatsache, dass ein Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung besitzt, für sich genommen noch keinen Verstoß gegen das Recht auf effektiven Rechtsschutz begründet;

  3. In Erwägung dessen, dass jedoch, zum einen, der von der Zollbehörde gemäß Artikel 389 der Zollordnung gestellte Antrag zur Veräußerung der beschlagnahmten Güter vom zuständigen Richter geprüft wird, ohne dass der betroffene Eigentümer dazu gehört oder geladen worden wäre; dass, zum anderen, die Durchführung der Veräußerung tatsächlich unumkehrbare Folgen bewirkt, da die veräußerte Sache endgültig aus dem Vermögen des Betroffenen ausscheidet;

  4. In Erwägung dessen, dass in Anbetracht der sich aus der Durchführung der Veräußerung ergebenden Auswirkungen, das fehlende rechtliche Gehör im Rahmen des Verfahrens in Verbindung mit der Tatsache, dass ein gegen die richterliche Entscheidung eingelegtes Rechtsmittel keinen Suspensiveffekt entfaltet, dazu führt, dass das von Artikel 389 vorgesehene Verfahren gegen die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Artikels 16 der Erklärung von 1789 verstößt; dass der Artikel 389 der Zollordnung daher für verfassungswidrig erklärt werden muss;

  5. In Erwägung dessen, dass Artikel 62 Absatz 2 der Verfassung bestimmt: „Eine gemäß Artikel 61-1 für verfassungswidrig erklärte Bestimmung ist ab der Veröffentlichung der Entscheidung des Verfassungsrates oder zu einem in dieser Entscheidung festgesetzten späteren Zeitpunkt aufgehoben. Der Verfassungsrat bestimmt die Bedingungen und Grenzen einer möglichen Anfechtung der Folgen der betreffenden Bestimmung“; dass wenngleich grundsätzlich die Partei, welche die vorrangige Frage zur Verfassungsmäßigkeit erhoben hat, einen Vorteil aus der Verfassungswidrigkeitserklärung erlangen soll und die für verfassungswidrig erklärte Bestimmung in zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfassungsrates anhängigen Gerichtsverfahren nicht mehr angewendet werden darf, so behält die Vorschrift des Artikels 62 der Verfassung dem Verfassungsrat vor, den Zeitpunkt festzulegen, an dem die Aufhebung der verfassungswidrigen Norm eintritt, und zu bestimmen, ob und auf welche Art und Weise Rechtsfolgen angefochten werden können, die vor der Verfassungswidrigkeitserklärung auf der Grundlage der verfassungswidrigen Vorschrift eingetreten sind;

  6. In Erwägung dessen, dass die sofortige Aufhebung der für verfassungswidrig erklärten Vorschriften jedoch offensichtlich unverhältnismäßige Folgen nach sich ziehen würde; dass die vorliegende Verfassungswidrigkeitserklärung daher ab dem 1. Januar 2013 wirksam wird,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Der Artikel 389 der Zollordnung ist verfassungswidrig.

Artikel 2 - Die in Artikel 1 ausgesprochene Verfassungswidrigkeitserklärung wird ab dem 1. Januar 2013 gemäß den in der Erwägung Nr. 14 festgelegten Voraussetzungen wirksam.

Artikel 3 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 1. Dezember 2011, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Michel CHARASSE, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Jacqueline de GUILLENCHMIDT, Hubert HAENEL und Pierre STEINMETZ.

Veröffentlicht am 2. Dezember 2011.

Les abstracts

  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.7. DROIT DE PROPRIÉTÉ
  • 4.7.4. Protection contre la privation de propriété
  • 4.7.4.1. Notion de privation de propriété

L'article 389 du code des douanes permet l'aliénation, en cours de procédure, par l'administration des douanes, sur autorisation d'un juge, des véhicules et objets périssables saisis. Cette aliénation, qui ne constitue pas une peine de confiscation prononcée à l'encontre des propriétaires des biens saisis, entraîne une privation du droit de propriété au sens de l'article 17 de la Déclaration de 1789.

(2011-203 QPC, 02 Dezember 2011, cons. 4, Journal officiel du 3 décembre 2011, page 20015, texte n° 83)
  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.7. DROIT DE PROPRIÉTÉ
  • 4.7.4. Protection contre la privation de propriété
  • 4.7.4.2. Nécessité publique de la privation de propriété

La privation de propriété opérée par l'article 389 du code des douanes n'est applicable qu'aux moyens de transport et aux objets saisis " qui ne pourront être conservés sans courir le risque de détérioration ". Leur aliénation est destinée à éviter leur dépréciation en cours de procédure et à limiter les frais de stockage et de garde. Elle a un objet conservatoire, dans l'intérêt tant de la partie poursuivante que du propriétaire des biens saisis. Elle poursuit, en outre, l'objectif de valeur constitutionnelle de bonne administration de la justice et de bon emploi des deniers publics. Par suite, elle répond à un motif de nécessité publique.

(2011-203 QPC, 02 Dezember 2011, cons. 5, Journal officiel du 3 décembre 2011, page 20015, texte n° 83)
  • 4. DROITS ET LIBERTÉS
  • 4.7. DROIT DE PROPRIÉTÉ
  • 4.7.4. Protection contre la privation de propriété
  • 4.7.4.3. Allocation d'une juste et préalable indemnité
  • 4.7.4.3.2. Applications

En premier lieu, l'article 389 du code des douanes permet l'aliénation des biens saisis avant qu'ils ne se déprécient. Cette aliénation est destinée à ce que, selon l'issue de la procédure, le produit de la vente correspondant à la valeur des biens saisis puisse, soit être affecté au paiement des condamnations prononcées contre leur propriétaire, soit être restitué à ce dernier. Ainsi, elle ne méconnaît pas l'exigence d'une indemnisation juste de la privation de propriété.
En second lieu, l'exigence d'un versement préalable de l'indemnité ne saurait faire obstacle à ce que celle-ci soit retenue à titre conservatoire en vue du paiement des amendes pénales ou douanières auxquelles la personne mise en cause pourrait être condamnée. Par suite, en rendant indisponibles, pendant la procédure, les sommes provenant de l'aliénation des biens saisis, l'article 389 du code des douanes ne méconnaît pas l'exigence d'une indemnisation préalable de la privation de propriété.

(2011-203 QPC, 02 Dezember 2011, cons. 6, 7, Journal officiel du 3 décembre 2011, page 20015, texte n° 83)
  • 11. CONSEIL CONSTITUTIONNEL ET CONTENTIEUX DES NORMES
  • 11.8. SENS ET PORTÉE DE LA DÉCISION
  • 11.8.6. Portée des décisions dans le temps
  • 11.8.6.2. Dans le cadre d'un contrôle a posteriori (article 61-1)
  • 11.8.6.2.2. Abrogation
  • 11.8.6.2.2.2. Abrogation reportée dans le temps

L'abrogation immédiate de l'article 389 du code des douanes aurait des conséquences manifestement excessives. Par suite, la déclaration d'inconstitutionnalité de cet article est applicable à compter du 1er janvier 2013.

(2011-203 QPC, 02 Dezember 2011, cons. 13, 14, Journal officiel du 3 décembre 2011, page 20015, texte n° 83)
  • 12. JURIDICTIONS ET AUTORITÉ JUDICIAIRE
  • 12.1. JURIDICTIONS ET SÉPARATION DES POUVOIRS
  • 12.1.3. Droit au recours juridictionnel
  • 12.1.3.3. Application à la procédure judiciaire

Le caractère non suspensif d'une voie de recours ne méconnaît pas, en lui-même, le droit à un recours juridictionnel effectif garanti par l'article 16 de la Déclaration de 1789.
Toutefois, d'une part, la demande d'aliénation, formée par l'administration en application de l'article 389 du code des douanes est examinée par le juge sans que le propriétaire intéressé ait été entendu ou appelé. D'autre part, l'exécution de la mesure d'aliénation revêt, en fait, un caractère définitif, le bien aliéné sortant définitivement du patrimoine de la personne mise en cause.
Au regard des conséquences qui résultent de l'exécution de la mesure d'aliénation, la combinaison de l'absence de caractère contradictoire de la procédure et du caractère non suspensif du recours contre la décision du juge conduit à ce que la procédure applicable méconnaisse les exigences découlant de l'article 16 de la Déclaration de 1789. Par suite, l'article 389 du code des douanes doit être déclaré contraire à la Constitution.

(2011-203 QPC, 02 Dezember 2011, cons. 10, 11, 12, Journal officiel du 3 décembre 2011, page 20015, texte n° 83)
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